Anwendung und Ziele

Diese Übung eignet sich zu Beginn von Gruppenprozessen, um eine Sensibilisierung und Zugänglichkeit für die Umgebung zu erzeugen. 

Es geht um das „Zuhören“ mit dem ganzen Körper sowie ein Annäherung an seine Umgebung mit einer nicht-utilitaristischen Perspektive, die Raum dafür schafft, dass die Dinge einen auf unerwartete Weise berühren können. Indem die Teilnehmer:innen zulassen, von den Anderen (auch den nicht-menschlichen Anderen) bewegt zu werden und sich mit ihnen zu bewegen, entwickeln sie durch diese Übung eine Basis für empathisches Zuhören und kollaboratives Handeln.

So geht’s

Gehe aufmerksam durch den Raum und nimm Details und Gegebenheiten in deiner Umgebung wahr. Gehe darauf zu und erkunde sie. Es kann ein Loch in der Wand sein oder das Geräusch eines Ventilators, das du plötzlich wahrnimmst. Es kann der Raum zwischen einer Zimmerecke und einem Möbelstück sein. Welche Wirkung hat es auf dich? Folge den Affekten und befriedige die Neugierde deines Körpers. 

Was auch immer es ist, erforsche es mit deinem Körper und nimm es mit deinen Sinnen wahr. Berühre es, erforsche seine Beschaffenheit, sieh dir die kleinsten sichtbaren Details an, begib dich mit deinem Körper dazwischen, fühle sein Gewicht oder den Widerstand, schmecke es. 

Irgendwann werden die Anziehung und der Affekt schwächer. Löse dich dann von deinem Untersuchungsgegenstand und  gehe erneut aufmerksam durch den Raum und warte, dass etwas Neues dein Interesse weckt.

Variationen und Erweiterungen

Erweitere deine Wahrnehmung auf die anderen Menschen im Raum. Lass dich auch von ihnen anziehen. Von der Beschaffenheit ihrer Haut und Kleidung. Von den Geräuschen, die sie machen. Von den Bewegungen und Rhythmen, die sie erzeugen. Wie wirken ihre Bewegungen auf dich? Wie lässt du dich auf sie ein?

Betrachte Menschen als Gegenstände und Gegenstände als Menschen. Lass dich auf alles gleichermaßen ein: Respektiere ihre Autonomie und ihre Rhythmen, wenn du dich ihnen näherst und dich mit ihnen beschäftigst. Höre hin und reagiere. Lass dich auf all das als ein fühlender Körper unter fühlenden Körpern ein. 

Frage dich selbst: Wozu animieren mich diese Dinge?

Was kann ich mit ihnen tun? Begib dich in einen Dialog der Körperlichkeiten mit ihnen basierend auf gegenseitigem Zuhören und Reagieren auf Affekte, Impulse und Widerstände.

Mögliche Kombinationen

Wonach verlangt der Körper?

Listening shapes speech

Einlassen / Annähern / Abgrenzen

Relational soundscape

Echoen

Stuck practice

Quellen

Die Grundidee dieser Übung findet man häufig in Performance-, Tanz- und Somatik-Workshops. Ich habe sie in verschiedenen Kontexten erlebt und da die Übung sehr nuanciert ist, variiert die dabei gemachte Erfahrung, je nachdem, wie sie angeleitet wird. 

Ein theoretischer Ansatz, auf dem diese Übung beruht, ist das von dem Psychologen James J. Gibson geprägte Konzept der “Affordance”. “Affordance” ist das, was die Umgebung dem Individuum offeriert und wie wir es wahrnehmen: Ein Objekt bietet uns an, Verschiedenes mit ihm zu tun. Dabei wird davon ausgegangen, dass unsere Wahrnehmung und Auseinandersetzung mit der Umwelt handlungsorientiert ist. So sind ein Stein, ein umgestürzter Baum und ein Stuhl Sitzgelegenheiten, weil wir darin eine „Sitzbarkeit“ erkennen. Aber ich kann diese Objekte auch dazu verwenden, um irgendwo hinzugelangen, weil sie stabil sind und man auf sie klettern kann usw. Erweitert man dieses Konzept, kann man auch an “affektive Affordances” denken. Zum Beispiel kann ein Lied mit einem bestimmten Rhythmus und Klang eine Atmosphäre schaffen, die die Zuhörer:innen dazu einlädt, bestimmte Gefühle auszudrücken und sich entsprechend zu bewegen.