Anwendung und Ziele
Diese Übung eignet sich zu Beginn eines Gruppenprozesses, wobei man die Situation nutzen kann, dass sich die Teilnehmenden noch nicht kennen. Die Übung zielt darauf, ein Beziehungsbewusstsein zu aktivieren und den Teilnehmenden die ständige „Positionierung in Relation zu“ bewusst zu machen, auf denen unsere Interaktionen basieren. Es kann als eine Gelegenheit gesehen werden, „Nein“ zu sagen und bewusster auf subtile zwischenmenschliche Annäherung und Kommunikation zu reagieren.
So geht’s
Bei dieser Übung werden die Teilnehmenden gebeten, Positionen im Raum und in Beziehung zueinander einzunehmen. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge der Abläufe. Die Gruppe kann in einer Kreisformation beginnen oder in der Konstellation, in der sie sich gerade befindet.
Ein:e Teilnehmer:in beginnt, eine Position im Raum einzunehmen. Das kann stehend, sitzend, liegend sein, jede Position ist möglich. Nachdem die Position eingenommen wurde, sollte der:die Teilnehmer:in sie beibehalten. Wenn der:die Teilnehmer:in das Gefühl hat, dass diese Position für ihn:sie passt, sagt er:sie „Ja“. Fühlt es sich nicht passend an, kommuniziert es der:die Teilnehmer:in mit „Nein“ und versucht eine andere Position. Wenn es ein „Ja“ gibt, kann ein:e weitere Person hinzukommen und ihre Position finden. Beide sollten wieder „Ja“ oder „Nein“ sagen. Wenn beide „Ja“ sagen, kann ein:e dritte:r Teilnehmer:in kommen und eine Position einnehmen. In jeder Runde und nach jedem „Nein“ sowie jeder Neukonfiguration sollten alle wieder „Ja“ oder „Nein“ sagen, damit das Spiel fortgesetzt werden kann. Es kann passieren, dass die Neupositionierung einer Person Auswirkungen auf die Positionen der gesamten Gruppe hat.
Das Spiel endet, wenn eine Gruppenkonfiguration entstanden ist, bei der alle involviert sind und „Ja“ gesagt haben.
Variationen und Erweiterungen
Diese Übung kann mit einer Vorstellungsrunde kombiniert werden. Nachdem alle eine Position eingenommen und „Ja“ gesagt haben, können die Teilnehmer:innen sich vorstellen. Zur Vorstellung können sie neben ihrem Namen zum Beispiel mitteilen, wie sie sich gerade fühlen. Oft erzeugen diese Vorstellungsrunden einen bestimmten affektiven Zustand im Kollektiv, wodurch die Teilnehmer:innen gegebenenfalls wieder ihre Position wechseln müssen. Wenn wieder ein übereinstimmendes „Ja“ von allen zu hören ist, kann die Vorstellungsrunde fortgesetzt werden.
Die Wörter „passend“ und „angemessen“, die als Referenz für das „Ja“ verwendet werden, können durch eine komplexere Metapher erweitert werden. So verwende ich in meinen Workshops die Metapher „in Beziehung zu sein, heißt, in einer Spannung von Kräften zu sein“ (siehe Quellenangaben). Spannung ist dabei nicht als Stress, sondern neutral und beziehungsorientiert zu verstehen. Zum Beispiel braucht die Körpermuskulatur eine bestimmte Anordnung und Spannung (Tonus), damit man aufrecht stehen kann. Die Glühbirne und die elektrischen Drähte müssen eine bestimmte Spannung (Widerstand) aufweisen, damit Strom fließen und Licht erzeugt werden kann. Gitarrist:innen spannen die Saiten (stimmen sie), um den entsprechenden Ton zu erhalten. Im Deutschen spiegelt das Wort “Spannung” und dessen Verwendung die neutrale Beschaffenheit der Spannung deutlich wider: So sprechen wir davon, dass etwas spannend ist, dass wir uns entspannt fühlen, dass wir angespannt sind, dass wir auf etwas sehr gespannt sind usw.
In diesem Ja- und Nein-Spiel machen wir uns somit die Spannungsverhältnisse sowohl auf zwischenmenschlicher als auch räumlicher Ebene bewusst. Wir gestalten sie bewusst, fühlen uns im Einklang oder verstimmt und suchen nach einer Balance zwischen diesen Spannungen.
Mögliche Kombinationen
Quellen
Diese Methode wurde mir von Phoebe Dahmen-Wassenberg gezeigt, die sie wiederum in den Kursen von Britta Pudelko in der Tanzfabrik Berlin kennengelernt hat. Die Metapher „Beziehung ist Spannung“ ist aus dem “Authentic Movement”-Training von Soraya Jorge übernommen. Ich nehme mit dieser Metapher auch Bezug auf den Begriff der ästhetischen Erfahrung des Philosophen John Dewey, bei dem Spannung und Widerstände eine grundlegende Rolle spielen. Der im Titel verwendete Begriff “Positionierungen” greift auch ein Grundprinzip des “Modus Operandi AND” auf, das zugleich Methode und Spiel ist und auf Fernanda Eugenio zurückgeht. So werden bei “Modus Operandi AND” die Teilnehmer:innen aufgefordert, sich explizit (bezogen auf ihr Anliegen oder ihren Affekt) und offen (ohne die Reaktion des anderen zu manipulieren) zueinander zu positionieren.